Rückblick: Fachgespräch Katecheten-Dienst in Deutschland (5.5.2022)

Die Arbeitsstelle KAMP wurde im Herbst 2021 von der Mitgliederversammlung KAMP e. V. beauftragt, eine Fachveranstaltung durchzuführen, um die Sichtweisen und Aspekte des katechetischen Ministeriums aus unterschiedlichen Perspektiven aufzunehmen, zu bündeln und für die weiteren Beratungen der Deutschen Bischöfe der AG Evangelisierung und Katechese vorzulegen. Die Federführung erfolgte im Referat Evangelisierung, Verkündigung und Katechese der KAMP in enger Abstimmung mit Frau Dr. Börschel als Referentin des Bereichs Pastoral für Katechese und Glaubensinformation.

An der dreistündigen digitalen Veranstaltung am 5.5.2022 waren ca. 70 Personen beteiligt, die in Katechese-Referent:innen der Bistümer, akademischen Fachleuten, Seelsorgeamtsleitungen und Praktiker:innen bestanden. Im Online-Meeting gab es Statements von:

  • Dr. Christian Hennecke, Leiter HA Pastoral im Bistum Hildesheim
  • Dr. Regina M. Frey, akadem. Rätin am Lehrstuhl für Pastoraltheologie an der Katholisch-Theologischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität München und Leiterin des Pastoralseminars der Philosophisch-Theologischen Hochschule Münster
  • Prof. Dr. Patrik C. Höring, Dozent Katechetik und Didaktik des Religionsunterrichts an der KHKT
  • Carolin Herbke, ehrenamtliches Mitglied im Leitungsteam der St. Godehard- Gemeinde in Göttingen
  • Dr. Angela Reinders, Abteilungsleiterin Pastoralentwicklung, Bischöfliches Generalvikariat Aachen
  • Prof. Dr. Stefan Silber, 1997–2002 Direktor desDiözesanen Katechistenzentrums der Diözese Potosí/Bolivien, derzeit Verwaltungsprofessur für Dogmatik an der Hochschule Vechta

An Workshops, die in zwei Durchgängen stattfanden, wurde angeboten:

  • Taufberufung und Katechetenamt (Prof. Dr. Bernd Lutz, KHKT)
  • Weltkirchliche Betrachtung des Katecheten-Dienstes am Beispiel Bolivien (Dr. Stefan Silber)
  • Lektoren und Katechetendienst aus bibel- und verkündigungspastoraler Sicht (Prof. Dr. Egbert Ballhorn, Dortmund und Vorsitzender des Bibelwerks)
  • Qualifizierung und Begleitung von ehrenamtlichen Katecheten-Diensten (Prof. Dr. Markus Tomberg, Fulda und Martin Grimm, Fernkurs Theologie)
  • Katechetendienst und Kirchenentwicklung (Dr. Hubertus Schönemann, Leiter KAMP)

Am 9.5.2022 fand auf der Tagung der KKMP in Würzburg ebenfalls eine Befassung der Teilnehmenden mit dem Katecheten-Ministerium statt. Die Ergebnisse der beiden Veranstaltungen liegen hier in bearbeiteter und gebündelter Form vor.

 

Zentrale Aspekte des katechetischen Ministeriums (KatMin)

Stellungnahme der Katholischen Arbeitsstelle für missionarische Pastoral (KAMP) e. V.

 

Katechetisches Ministerium und Gabenorientierung

„Dort, wo Menschen in einer lokalen Gemeinschaft miteinander den Glauben leben, entdecken sie miteinander und aneinander ihre Gaben, von dorther konstituieren sich Dienste durch Hören, Rufen, Auswählen, Begleiten, Zurüsten und Senden“ (Christian Hennecke). Das KatMin ruht also auf dem Wahrnehmen, was sich an christlicher Berufung entwickelt und entwickeln kann, bei der Person selbst und bei denen, mit denen sie:er zu tun hat. Es geht darum, zu würdigen, anzuerkennen, zu vertiefen, zu fördern und zu befähigen, was sich an Gaben und Rufen in den lokalen Gemeinschaften von Christ:innen zeigt.

 

Taufberufung als Grundlage

Im Ministerium kommt ein Selbststand der getauften Gläubigen als Katechet:innen zum Ausdruck und eine Stärkung der Selbstbefähigung der Gläubigen zum Tragen. Daher ist möglichst viel Selbstständigkeit und Vertrauen gewünscht, ebenso eine rechtliche Absicherung. Ehrenamtliche aus dem Bistum Hildesheim, die als Gemeindeleitungsteam beauftragt wurden, berichten, dass die Beauftragung als Sendung und Segnung sie trägt, stärkt und zur Akzeptanz ihres Dienstes in der Gemeinde beiträgt.

 

Aufgabenvielfalt, Kontexte und Kirchenentwicklung

Das KatMin übernimmt Verantwortung für den Bereich des Glauben-Bezeugens und des Glauben-Teilens in einem bestimmten Bereich oder in einer bestimmten lokalen Gemeinschaft. Es könnte sich in einer großen Vielfalt in einer Diversität von Aufgaben, Beteiligungsformen und Ausgestaltungsmöglichkeiten entwickeln, je nach den Gaben und den Kontexten vor Ort, damit verschiedene Charismen zum Tragen kommen können. Das KatMin sollte nicht von vornherein „volkskirchlich“, sondern auf neue Lernorte und Formen des Glaubens (z. B. sozialräumlich und engagementfördernd) angelegt werden. Neue Orte des Evangeliums – so die Erfahrung – werden zumeist von Ehrenamtlichen entdeckt und gestaltet, sie bringen sich und ihre Gaben und Fähigkeiten ein. Leitende Fragen sind dabei: Was brauchen die Menschen vor Ort, um das Evangelium zu entdecken und zur Gestaltung zu bringen? Was kann sich entwickeln? Wie leben wir als Christ:innen zusammen, welches Zeugnis geben wir und wie tun wir das? Das KatMin kann so zu Prozessen der Kirchenentwicklung beitragen, insofern neue Formate der Glaubenskommunikation mit neuen Formen von Gemeinschaft und Engagement zusammenhängen.

Möglicherweise kann das KatMin sehr positive Auswirkungen auf die Glaubenskommunikation mit Erwachsenen haben. Es sollte Kreativität für sich und andere ermöglichen. „Orte des Evangeliums“ mit im weitesten Sinne katechetischem Potenzial sind nicht nur die „klassischen“ Gemeinden, sondern Alten- und Pflegeheime, Kindertagesstätten, Trauerkreise, anlassbezogene katechetische Veranstaltungen im Schnittfeld von Liturgie, Verkündigung und Diakonie.

Als echte Chance darf dies nicht mit der amtlichen Beauftragung von hauptberuflichen Seelsorgediensten vermischt werden. Das KatMin kann im guten Sinne „subversiv“ sein für eine gaben- und kontextorientierte Gestalt kirchlicher Gemeinschaft und Sendung. Die Beauftragung steht als Stärkung dessen, was aus dem Volk Gottes als lokal erkennbarer Berufungsweg wächst, Partizipation wahrnimmt und sich anschickt, mehr Verantwortung zu übernehmen. Es geht nicht um eine hierarchische Delegation von Verantwortung.

Eine Funktion von Gemeindeleitung, wie es dem Vatikan offenbar im Blick auf die Katechisten in den Ländern des Südens vorschwebt, wird zumindest von vielen als ambivalent gesehen. Manche meinen, Gemeindeleitung müsse ordiniert wahrgenommen werden; es wäre dann nur konsequent, wenn die Leitungspersonen tatsächlich ordiniert würden. Da das nicht zu erwarten ist: Ist das KatMin nicht doch ein Sedativum, damit die Diskussion um die Ordination von Frauen und verheirateten Männern verstummt, weil man jetzt ein neues Amt geschaffen hat? Wenn man aber den Dienst als tatsächlich laikalen Dienst sieht, dann ist möglichst jeder Anschein von „niederen Weihen“ oder ordinierten (Sub-)Diakonen, die nun in der Katechese tätig sein würden, zu vermeiden. Eine erwünschte Klarheit diesbezüglich könnte Anlass sein, über eine Abschaffung der Lektoren- und Akolythenbeauftragung im Kontext der Priesterausbildung nachzudenken.

 

Verlängerung einer auf Kleriker und Hauptberufliche fixierten Kirche

Das Gegenbild der gabenorientierten Perspektive auf das KatMin ist nämlich das institutionelle Bild einer Kirche von Gläubigen, die durch Priester und Hauptberufliche versorgt und betreut werden. Es besteht die berechtigte Sorge, dass das KatMin zu einer Verlängerung des bisherigen, auf Kleriker hin zentrierten Systems beiträgt. Es könnte eine ganz bestimmte Klientel von Personen in diesen Dienst drängen, wenn es um Sozialprestige/Ansehen, Entscheidungskompetenzen, Nähe zum ordinierten Amt etc. geht. Man sollte auch die Pfadabhängigkeiten erkennen: klerikal orientierte Amtsträger ziehen sich möglicherweise „ihre“ ehrenamtlichen „Helfer:innen“ als KatMin heran, die eine hierarchische Sichtweise verstärken (Valentin Dessoy: „Minderpriester“). Der Dienst birgt die Gefahr, dass man den Bereich des Laienapostolats verlässt. So ist zu prüfen, ob tatsächlich der Bischof in seiner institutionellen Autorität beauftragen sollte und nicht jemand anderes.

 

Sorge vor extremen Formen der Ausübung des Katecheten-Amtes

Die Träger:innen des KatMin sollten nicht von oben (ex supra) oder von außen (ex extra) im Sinne einer in einer Kaderschmiede ausgebildeten Elite kommen. Es geht auch nicht um eine „Truppe“ zur klassischen Glaubensvermittlung von offiziellen Glaubenswahrheiten („Lehre der Kirche“) oder mit dem Bedürfnis, „den anderen etwas beibringen zu müssen“. Das würde wohl ein bestimmtes, problematisches Ehrenamts-Klientel mit sich bringen, was vermutlich asymmetrische Beziehungen und eine Gemeindefixierung im Sinne des traditionellen Systems stabilisierte. In diesem Zusammenhang ist auch die Gefahr geistlichen Missbrauchs anzusprechen.

 

Ministerium: Amt oder Dienst?

„Dienst“ und „Amt“ werden in ihrer Bedeutung sehr schillernd beschrieben. Es ist vertieft darüber nachzudenken, dass nicht jedes Amt in der Kirche Anteil am Ordo gibt, aber jedes Amt, auch das ordinierte, ein Dienst am Gottesvolk und seinen Gaben sein muss („Priestertum des Dienstes“), und zwar nicht nur behauptet, sondern auch realiter und nachweislich. Für die einen ist ein „Dienstamt“ für Laien ein Fortschritt in der Kirche, da ein kirchliches Amt grundsätzlich nicht aus der Weihe, sondern aus der Taufe komme, andere sehen die Verlängerung einer „Kirche von oben“. Ein System von Katechet:innen erster und zweiter Klasse, solchen, die beauftragt, und solchen, die nicht beauftragt sind, ist zu vermeiden. Die einen dienen der Entfaltung der anderen. Insofern ist auch die Meinung nicht ganz von der Hand zu weisen, dass das, was das KatMin nach dem Motu proprio anzielt, in Deutschland bereits dauerhaft in den hauptberuflichen Laiendiensten gegeben ist, seine Implementierung hier also nicht notwendig sei.

Es zeigt sich eine durchgängige Kritik an der Dauerhaftigkeit der Beauftragung. Es wird vielmehr für eine zeitliche Begrenzung votiert; es müsste auch möglich sein, die Beauftragung bei schweren Verfehlungen zu widerrufen bzw. zu entziehen.

 

Auswahl, Begleitung, Qualifikation und Qualifizierung

Die Identifizierung und Akquise der möglicherweise in Frage Kommenden sollte als Kombination des Hörens und Rufens der lokalen Gemeinschaft und des pastoralen Hauptberuflichen-Teams gestaltet sein. Es geht aber nicht darum, dass die Profis sich ihre „Helfer:innen“ hinzuziehen, sondern freigeben und damit Räume und Prozesse ermöglichen.

Viele freiwillig Engagierte berichten, dass die Bedingung eines vorgängigen Kurses mit Zertifikat als Voraussetzung für die Beauftragung sie abschrecken würde. Daher sollte nicht eine vorherige Ausbildung am grünen Tisch entworfen werden, um danach erst auf die Suche nach geeigneten Personen zu gehen, die diese Ausbildung absolvieren wollen.

Gute Begleitung durch Hauptberufliche (spirituelle Begleitung, Coaching, Reflexion, Teambuilding …) ist jedenfalls wichtiger (Begleitung first, Qualifizierung second), daraus folgt dann in der Praxis oft der Wunsch, sich weiter zu qualifizieren. Eine basale Qualifizierung (rollen- und systembezogen, methodisch-didaktisch, religionspädagogisch, theologisch, sozialwissenschaftlich, …) kann dann in den Bereichen erfolgen, in denen die Dienste sich engagieren. Hier sind geeignete Strukturen durch die Bistümer eventuell in einem Verbund anzubieten; eine Übernahme der Kosten für die Qualifizierung gehört mittlerweile zu den selbstverständlichen Rahmenbedingungen der Begleitung freiwilligen Engagements. Zentral für Personen, die für das KatMin in Frage kommen, sind allerdings als Qualifikationen eine reflektierte eigene Geschichte, die mit Glauben verknüpft ist, geerdete Lebenserfahrung und Spiritualität, vorherige Erfahrungen in der Katechese, die Klärung von Zielen und Motivationen, evtl. andere berufliche Qualifikationen, die eine professionelle Außenperspektive einbringen angesichts der geäußerten Erfahrung, dass „Kirchenprofessionelle“ oftmals zu eng geworden sind.

 

‚role models‘ des katechetischen Ministeriums

Die Träger:innen desKatMin unterscheiden sich von den Katechet:innen, die jährlich zur Begleitung eines sakramentenkatechetischen Prozesses „hinzugezogen“ werden. Sie übernehmen vielmehr größere Verantwortung für einen im weitesten Sinne be-zeugenden Bereich, sie unterstützen evtl. sogar gemeindebildende und -stiftende Prozesse („Erprobungsräume“) oder übernehmen auch (gemeinde-)leitende Funktionen. Dabei bedingen einander vielfältige Ausprägungsformen des KatMin und vielfältige Gemeinschaftsformen und bewirken vielleicht ein Aufbrechen der „Monokultur“ bisheriger Gemeinden.

Dabei ist es wichtig, dass sich die Rollen der ehrenamtlichen Katechet:innen und der Hauptberuflichen im pastoralen Dienst nicht als Konkurrenz, sondern als gegenseitige Ergänzung entwickeln. Grundsätzlich ist eine gabenbezogene Identifizierung, Begleitung und Stärkung der KatMin die Aufgabe der Hauptberuflichen. In der Realität kommt dies jedoch oft zu kurz. Es wird darüber hinaus realistisch angemerkt, dass die Zahl der Hauptberuflichen in den Bistümern in den nächsten Jahren recht schnell zurückgehen wird. Daher wird das KatMin von einigen als Chance gesehen, Kirche vor Ort aufrechtzuerhalten oder eine grundsätzliche Weise von ehrenamtlichen Diensten in der Pastoral zu festigen. Das ist verständlich, sollte aber nicht dazu führen, dass die ehrenamtlichen katechetischen Dienste hauptberufliches Personal ersetzen.